Konstantin Sturm

Vor der Literaturtheorie. Poetiken des 18. Jahrhunderts und ihre Vorworte (Arbeitstitel)

Die Annahme der historischen Regelpoetik, dass Dichtung bzw. Dichten eine Frage der Technik und dementsprechend, folgt man nur der richtigen Anleitung, lern- und lehrbar sei, wird im 18. Jahrhundert an der Schwelle zur ästhetischen Moderne einer epochemachenden Revision unterzogen. Das Ende der Regelpoetik wird dabei oft genug mit dem Ende einer eigenständigen Gattungstradition der Poetik selbst gleichgesetzt. Entgegen dieser Darstellung fragt das Dissertationsprojekt nach dem Fortleben der Poetik nach der Regelpoetik. Das Projekt verfolgt die These, dass die Gattung der Poetik im historischen Moment der Krise auf innovative Weise produktiv wird, und untersucht dazu Poetiken des mittleren 18. Jahrhunderts zwischen 1730 und 1780, mit einigen Ausschlägen ans Jahrhundertende. Der Aufstieg der Ästhetik zur neuen Leitwissenschaft macht eine Rekonfiguration poetologischer Wissensbestände und Darstellungssystematiken möglich, was der Gattung formale und mediale Freiräume eröffnet. Das Formelement, an der diese Dynamik aufgezeigt wird, sind die Paratexte, namentlich die Vorworte der einzelnen Poetiken. Die Poetik zeigt dort in ein zunehmend schärferes Bewusstsein für die eigenen Konstitutions- und Kommunikationsbedingungen als einer Textgattung und eines Textmediums. Als generischer und fest daran gebundener Bestandteil des Mediums Buch ist das Vorwort der Ort, an dem die Poetiken die Folgen des historischen Medienwandelns von einer Buch- zu einer Zeitschriftenkultur beobachten und die Eigenschaften ihres medialen Settings reflektieren. Die innovative Produktivität der Poetiken findet daher genau an den Rändern von Text und Medium statt: in den neu zu kartographierenden Zwischenräumen zwischen Para- und Haupttext, und in der Neubestimmung des Verhältnisses von Monographie und den volatilen Medienformaten  einer bürgerlich-aufgeklärten Öffentlichkeit.


Lebenslauf

2013–2018 Studium der Anglistik, Germanistik und Politikwissenschaft (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, BA)

Wissenschaftliche Hilfskraft bei verschiedenen Forschungs- und Editionsprojekten an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Leitung: Prof. Dr. Christoph Strohm)

2018–2021
Studium der Literaturwissenschaft (Universität Konstanz, MA)

Wissenschaftliche Hilfskraft in der AG Albrecht Koschorke sowie Tutor für die LKM-Einführungsvorlesung Literaturwissenschaft

Seit 2021
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Leibniz-Preis-Forschungsstelle Historische Poetik und Formtheorie (Konstanz; Leitung: Prof. Dr. Juliane Vogel)

2022
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Juliane Vogel (Elternzeitvertretung)

Seit 2022
Kommissionsmitglied im Doctoral Fund der Universität Konstanz

Publikationen und Vorträge

Aufsätze:

Vom Knaben, der das Meer (nicht) ausschöpft. Überfluss in der Gattungspoetik der Aufklärung, in: Sebastian Meixner u. Cornelia Pierstorff (Hg.): Metaphorologie und Ökonomie. Themenheft Bildbruch. Beobachtungen an Metaphern 6 (2024)

Kleinere Beiträge:

ETHOS. Ethische Praktiken in ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts (Internationale Abschlusstagung des SNF-Projekt ETHOS vom 31.3.–2.4.2022 an der Universität Zürich), in: Zeitschrift für Germanistik NF 33/1 (2023), S. 251–254. [Konferenzbericht]

Vorträge

Vor der Literatur. Positionsbestimmungen der Poetik nach 1730 (Workshop Ideengeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, Universität Heidelberg, 2./3.12.2022)

„Mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“ Liturgische Praktiken in Ödön von Horvaths dramatischem Totentanz Glaube Liebe Hoffnung (Internationale Tagung Literarische Exerzitien. Ethische Textpraktiken in der Moderne (1800–2000), Universität Hamburg, 28.–30.6.2023)

Aporien des Liquiden. Anmerkungen zu einer fabeltheoretischen Kontroverse in Johann Jakob Breitingers Critischer Dichtkunst (Internationale Tagung Liquide Formen 1800, Universität Konstanz, 12.–14.10.2023)

Lehre

WS 21/22
Poetiken zwischen Antike und Gegenwart

SS 22
Die Fabel – Theorie und Praxis eines literarischen Grenzfalls

WS 22/23
C. F. Gellert – empfindsames Genie oder Autorinszenierung?