Die Farbe des Schnees. Kunst-Geschichten im Winter

Ein Online-Seminar von Studierenden für Studierende vom 16. Februar bis zum 23. März 2022

Die Seminar-Reihe zum Thema „Die Farbe des Schnees. Kunst-Geschichten im Winter“ startet nächsten Mittwoch, 16.02 um 18 Uhr. Das Projekt geht aus einer Kooperation zwischen der alten Pinakothek in München, der Universität Trier und der Universität Konstanz hervor. Ausgehend von jeweils einem Werk der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nehmen Studierende der Universitäten Konstanz und Trier sechs Wochen lang einen Themenbereich in den Fokus. Mithilfe einschlägiger Traktate und anhand von verschiedenen künstlerischen Positionen wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein tiefergehendes Verständnis über den Schnee zur ästhetischen Neubewertung desselben führte. Neben winterlichen Bildbeispielen aus der Frühen Neuzeit und der künstlerischen Darstellung von Schnee und Eis in der Frühromantik werden Variationen des Schneemotivs in der zeitgenössischen Kunst thematisiert.

Die Teilnahme ist kostenfrei und es gibt eine begrenzte Anzahl an Teilnahmeplätzen. Die Anmeldung ist jeweils bis spätestens am letzten Werktag vor der Veranstaltung unter programm@pinakothek.de möglich. Mit der Anmeldebestätigung erhalten Sie den Link zum Online-Angebot. Das Seminar wird mit Hilfe von Microsoft Teams übertragen.

Details zur Veranstaltung finden Sie im Programm der Pinakothek unter Details.

Übersicht der Seminarsitzungen

16. Februar 18.00 Uhr

Zwischen Weiß und Farbe. Tonale Winterlandschaften des 17. Jahrhunderts
Mit Lena März und Larissa Wesp

Klirrend kalt, düster, bedrohlich – Stichworte, mit denen sich ein Winterliches Dorf von Jacob van Ruisdael beschreiben lässt. Die starke atmosphärische Wirkung des Bildes, das einen wolkenbehangenen Wintertag zeigt, ist dabei ebenso bemerkenswert wie die Reduzierung der Farbpalette auf ein grau-blau-braun dominierendes Kolorit. Galt Schnee bis dahin untrennbar mit der Farbe Weiß verbunden, gerät diese Relation nun ins Schwanken. Doch wie konnte die Darstellung von Schnee und Winter einen solchen Bedeutungsumschwung erfahren? Eine bildliche „Winterreise“ führt durch die Traditionen und Revisionen einer noch entstehenden Gattung. Den Auftakt bilden dabei die Stundenbücher, deren Monatsabbildungen als Vorboten der ersten Winterlandschaften gelten können. Die Monatszyklen Pieter Bruegels des Älteren, der in der weißen, schneebedeckten Landschaft eine Kulisse für den winterlichen Alltag schuf, können folgend als Meilenstein angeführt werden, während sich schließlich unter namenhaften Vertretern wie Hendrick Avercamp eine autonome Gattung manifestierte. Letztendlich wird sich zeigen, wie die tonale Winterlandschaft am Zenit dieser Entwicklung steht und wie Schnee und Winter zum entscheidenden Motiv des Bildes selbst werden.

Jacob van Ruisdael: Winterliches Dorf, um 1665, Alte Pinakothek München

23. Februar 18.00 Uhr

Zwischen Idylle und Zerstörung. Der Klang von Schnee und Eis
Mit Lara Kiolbassa und Larissa Wesp

Pure Schneelandschaften, eindrucksvolle Gletscherspalten und überwältigende Bergmassive - die Unberührtheit der Natur lassen Gletscher und Schneelandschaften auf den Betrachter mächtig und erhaben wirken. Dies wird in Joseph Anton Kochs Gemälde des Schmadribachfalls besonders deutlich, doch diese heroische Landschaft ist gefährdet: Der Mensch und die von ihm verursachte Klimakrise bringen die Gletscher zum Schmelzen. Die dargestellte heroische Gletscherlandschaft findet in der Klangperformance „Requiem for a glacier“ von Paul Walde ihren Abgesang. Das Requiem entstand im Gedenken an den Farnham und Jumbo Gletscher in British Columbia, der durch den Menschen und die Klimakrise stark bedroht ist. Ein geplantes Skigebiet gefährdet die heroische Natürlichkeit und Unberührtheit des Gletschers. Partitur und Libretto des Requiems sind ortsspezifisch und weisen sich wiederholende und aufeinander beziehende musikalische Themen auf.

Joseph Anton Koch: Der Schmadribachfall, 1822, CC-BY-SA BSTGS WAF449

02. März 18.00 Uhr

Kälte, Eis und Schnee als existentielle Bedrohung. Die Erkundung der Eismeere
Mit Ruben Brück

Schneestürme, Eisberge und starke Meeresströmungen lagen vor Martin Frobisher, dem Erkunder des nordwestlichen Eismeers. Wagemutig stieß Frobisher in einen nahezu unbekannten und von Gefahren geprägten Meeresraum vor. Sein Schiff wird zu einem Abenteurerschiff, zum Schutzraum und Wissensraum zugleich. In Reiseberichten und Druckgraphiken wurden die Gefahren der Expedition beschrieben, das erlebte Abenteuer und die gesammelten Erkenntnisse dokumentiert. Gänzlich anders hingegen verfährt Caspar David Friedrich. Mit einer kühl wirkenden und reduzierten Palette stellt Friedrich das Eismeer in Öl auf Leinwand dar. Als einen Ort voller existentieller Gefahren, den er persönlich nie gesehen hat. Mit dem Motiv des Schiffbruchs, dem gekenterten, im Packeis verschwindenden Schiff, den imposanten Eisformationen verweist Friedrich symbolisch auf das Scheitern und die Gefahren des Eismeers. Ausgehend von Paul Klees abstrakt dargestelltem Abenteurer-Schiff (1927) wird eine anachronistische „Entdeckungsfahrt“ unternommen, die zeigen soll, in welcher künstlerischen Weise die Themen der Erkundung der Eismeere, der Gefahr und des Scheiterns vor allem im 16. Jahrhundert und in der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts bildlich dargestellt wurden.

09. März 18.00 Uhr

Winterkleidung im Bild. Eisfläche als Schaufläche und Inszenierungsort
Mit Clara Humrich

Während der kleinen Eiszeit in den Niederlanden bot Kleidung nicht nur Schutz vor Kälte, sondern zeigte auch die Position eines Menschen innerhalb der Gesellschaft an: Ob arm, reich, verheiratet oder ledig– das sind nur einige Hinweise die Kleidung auf die Stellung ihrer Träger*innen liefern kann. Stolzieren, flanieren, elegant über das Eis gleiten, sich gegenseitig abschätzen- dicht gedrängt bewegen sich die Menschenmassen in Denis van Alsloots Gemälde. Die Bildfiguren tragen unterschiedliche, aufwendige Gewänder und geben sich die größte Mühe durch ihre Kleidung aufzufallen. Aber warum der Aufwand? Hier findet etwas Außergewöhnliches statt: ein Ball auf dem Eis.
Im Gegensatz dazu zeigen die Bilder von Adam van Breen alltägliches Treiben auf dem Eis. Auf seinen Eisflächen tummeln sich die Menschenmassen scheinbar gleichberechtigt vor einer Stadt und gehen verschiedenen winterlichen Freizeitaktivitäten nach. Die Eisfläche wird so eine Schaufläche, die gesellschaftliches Leben repräsentiert. Durch welche Kleidungsstücke wird die gesellschaftliche Hierarchie wiederhergestellt? Wie nutzen die Bildfiguren ihre Kleidung, um sich vor der Eisfläche selbst zu inszenieren? Inwiefern bedingen sich die Selbstpräsentation und Eisfläche gegenseitig im Bild?
Der Vortrag möchte anhand der Bildbeispiele die Kostümkunde als Forschungsfeld innerhalb der Kunstwissenschaft stärken und aufzeigen, wie sinnbringend sie für eine Bildinterpretation sein kann.

16. März 18.00 Uhr

Vergnügliche Schlittenfahrt
Mit Luna Levay

Die Schlittenfahrt war vor allem im 16. und 17. Jahrhundert ein soziales Ereignis, dem die Oberschicht in unseren Breitengraden gern beiwohnte. Die sogenannten Schlitttage luden dazu ein, sich durch prunkvolle Gefährte und Kostüme in Szene zu setzen, neue Bekanntschaften zu machen und etwas zu genießen, das zu dieser Zeit erst bekannt wurde – die Freizeit. Es entstanden neue soziale Räume in der winterlichen Landschaft, die von den geschmückten Teilnehmenden und ihren kostspielig angefertigten Schlitten bespielt wurden. Doch nicht nur die bildenden Künste wurden davon inspiriert. Einige musikalische Kompositionen versuchen, den Topos der Schlittenfahrt einzufangen, der neben visuellen Eindrücken auch viele auditive Reize zu bieten hat. Die Ästhetik der Schlittenfahrt ist eine ganz eigene und breitgefächerte, die es im Rahmen des Vortrags einzufangen und für die Zuschauer:innen erlebbar zu machen gilt.

23. März 18.00 Uhr

Der Schnee bei Caspar David Friedrich: Chiffre, Gefahr und Ewigkeit
Mit Marius Bohrer

Caspar David Friedrich baut seine Bilder: Mannigfaltige und detailreiche Naturstudien führen zu einer Vielzahl an Werken und Kompositionen. „Der Chausseur im Walde“ von 1814 – der Titel verrät es bereits – eingebettet in einen verschneiten Fichtenwald, ist ebenfalls nicht solitär, sondern fügt sich in einen Reigen aus verwandten Werken ein. Auf einer Waldstudie von 1813 lässt sich bereits die Komposition ausmachen, wie sie beim „Chausseur“ zum Tragen kommen wird. Dieselbe Konstellation wird sich in dem später, nämlich 1828, ausgeführten Gemälde „Frühschnee“ wiederfinden. Im gleichen Jahr fertigte Friedrich zudem das „Fichtendickicht“, ebenfalls ein Waldausschnitt mit Schneedecke. Während dieses Spätwerk des Künstlers wie eine Allegorie der christlichen Dreieinigkeit anmutet und der Schnee vermutlich lediglich eine sakrale Wirkung erzielen soll, ist der Schnee im „Chausseur im Walde“ Chiffre für den napoleonischen Untergang. Denn das Entstehungsjahr des Gemäldes war simultan das Jahr der endgültigen Niederlage Napoleons und die Hoffnungen der Deutschen auf ein einiges und souveränes Land flammten ungehemmt auf. In der Kunst und Literatur der Romantik wurde die Natur als Keimzelle der Nation und zum ästhetischen Rückzugsort verklärt. Urromantische Motive werden also neben dem historischen Kontext auch thematisiert werden, wie vor allem der „Chausseur“ selbst, auf dem das Hauptaugenmerk liegen wird. Ein einzelner französischer Soldat, seines Pferdes beraubt, ist mit den Weiten des deutschen Fichtenwaldes konfrontiert. Es liegt Schnee und der Tag neigt sich dem Ende zu. Einzig ein krächzender Rabe leistet dem Chausseur Gesellschaft, der in den dunklen Abgrund des Todes blickt. Welche Geheimnisse unter der Schneedecke verborgen liegen und wie das Werk insgesamt einzuordnen sein wird, versuche ich in meinem Vortrag etwas zu erhellen.